Meine weißen Nächte
Eine Auswandererfamilie aus Russland kommt Anfang der neunziger Jahre nach Deutschland und muss feststellen, dass nicht nur die deutsche Bürokratie, sondern auch die Essgewohnheiten der Deutschen eine Herausforderung darstellen.
In ihrem hinreißend komischen, in einem charmanten Plauderton geschriebenen Debütroman erzählt die in Deutschland lebende Russin Lena Gorelik von den Irrungen und Wirrungen einer jungen Frau, die eigentlich damit ausgelastet wäre, sich zwischen ihrem Freund und ihrem Ex-Freund zu entscheiden – aber immer wieder von ihrer russischen Familie auf den Boden der Tatsachen geholt wird.
Was tun, wenn man eine sehr emotionale, sehr russische Mutter hat, die mindestens einmal täglich anruft, um sich zu erkundigen, ob man auch genug gegessen habe? Wenn man eine wunderbare, aber schrecklich vergessliche Großmutter hat, die nur in ihrer
Sankt Petersburger Vergangenheit lebt? Und einen reizenden Bruder, der gerade beschlossen hat, sich dem Buddhismus zuzuwenden?
Eigentlich versucht Anja sich darauf zu konzentrieren, ihre Beziehung zu Jan auf die Reihe zu kriegen und sich vielleicht einen Job zu suchen. Aber Anjas Familie ist omnipräsent, auch wenn sie ein paar hundert Kilometer entfernt wohnt.
Als eines Tages ihr Ex-Freund auftaucht und ihr einen Job in einem russischen Reisebüro vermittelt, wird sie schon wieder mit ihrer Herkunft konfrontiert. Und die Erinnerungen an ihre russische Kindheit, wo Kartoffeln mit Hering zum Frühstück der Inbegriff von Glück bedeutete, und später an das deutsche Wohnheim, wo die Tiefkühlpizza in Ermangelung eines Ofens auf dem Herd aufgewärmt wurde, sind wieder da. Mit einer doppelten Identität zu leben, erschöpft sich ganz offensichtlich nicht darin, seinen deutschen Freunden zu erklären, dass Russen auch mal was anderes als Wodka trinken, wenn sie durstig sind, und dass Puschkin nicht nur ein Wodka, sondern auch ein Dichter war.
Lena Gorelik, geboren 1981 in St. Petersburg, kam 1992 zusammen mit ihrer russisch-jüdischen Familie als „Kontingentflüchtling“ nach Deutschland und studierte an der Deutschen Journalistenschule in München.
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